Etwas blass

16. November 2001
von Patrick Armbruster

Ich gehe durch die Strassen. Wohin? Zur Arbeit. Ich muss heute die Anlieferung überwachen und die Kontrolle durchführen. Jedes Paket muss gezählt und registriert sein, sonst bekommen die nachher ein Durcheinander. Mir ist bewusst, dass immer ein paar nicht gezählt und registriert werden, und dass die immer ein Durcheinander bekommen, vor allem dann, wenn die Rechnung einmal aufgehen würde. Ich frage mich, weswegen ich den Job mache. Früher war es interessanter. Damals habe ich auch die Leute noch gekannt bei der Arbeit. Heute geht man sich sofort aus dem Weg, wenn die Arbeitszeit vorbei ist. Ich gehe durch die Strassen. Wohin? Nach Hause. Es erwartet mich niemand. Ich war eine Weile lang verheiratet, aber das hat mit einer Scheidung geendet, bei welcher ich nicht allzu schlecht weg gekommen bin. Ich werde fernsehen. Das Geschehen der Welt interessiert mich nicht wirklich, weswegen ich anstelle der Nachrichtensendungen Comedy-Serien sehe. Der Alltag hier ist trist genug, ich muss nicht auch noch wissen, was in anderen Teilen der Welt passiert. Schliesslich heisst es ja nie: "Heilmittel gegen Krebs erprobt. Aids geheilt. Krieg beendet." Im Gegenteil. Man findet neue Krankheiten, bevor die alten beseitigt werden können. Man beendet Kriege nicht, man beginnt sie nur. Und wo sie beendet werden, entsteht neuer Hass aus dem Unvermögen der Menschen, Niederlagen zu akzeptieren. Als ob es ein Sport wäre. Wartet nur auf die Revanche. Morgen haben wir ein Heimspiel. Ich gehe durch die Strassen. Wohin? Durch die Strassen. Die Comedies sind vorbei, es läuft nur noch Sex im Fernsehen. Also spaziere ich ein wenig. Denke nach. Über alles. Macht so keinen Sinn. Ist alles so egal. Solange ich nicht mit Sicherheit weiss, was nach dem Tod mit mir geschieht, ist selbst der Tod egal. Vielleicht bin ich ein wenig neugierig. Aber an einen Gott glaube ich nicht. Wie schön wäre es doch, wenn ich einen Glauben hätte. Die Kraft, die ich aus dem Glauben daran ziehen könnte, dass am Ende das Paradies auf mich wartet. Oder die Furcht davor, dass die Hölle mit ihren endlosen Qualen für mich bestimmt sein könnte. Oder der Gedanke an Wiedergeburt. Glaube könnte mir eine Perspektive geben. Doch für mich ist nur das Hier und das Jetzt, mein eigenes Leben, meine eigenen Gefühle und mein eigenes Wissen wichtig. Und wenn ich ehrlich bin: Das Hier ist trist, das Jetzt zu spät, mein Leben langweilig und mein Wissen beschränkt.




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