Quietschvergnügt

September 2003
von Patrick Armbruster

(Diese Weihnachtsgeschichte wurde im Jahr 2003 für ein Baby-Shampoo von 'Robert & Josiane' namens 'Schönes Haar' verwendet. Robert & Josiane stellen poetische Kosmetikprodukte her, welche in verschiedenen Boutiquen in der ganzen Schweiz vertrieben werden.)

Als Dani zwei Jahre alt wurde, kauften seine Eltern eine Katze. Murrli war ebenfalls zwei Jahre alt, aber weil Katzen schneller älter werden, war sie bereits erwachsen und um einiges geduldiger als Dani, der oft und gerne mit Murrli spielte. Ihr graugetigertes weiches Fell war das schönste, was Dani jemals in seinem Leben gestreichelt hatte.
Wenn Dani auf dem Sofa in der Stube sein Mittagsschläfchen machte, legte sich Murrli meistens neben seinen Kopf und döste neben ihm, Wange an Wange. Manchmal musste Dani niesen, wenn Murrli im Traum mit ihren Ohren zuckte. Dann schrak auch Murrli auf und verliess den Platz auf dem Sofa. Dani bemühte sich, während des Mittagsschlafs nicht zu niesen, weil er gerne neben seiner Katze aufwachte, wenn seine Mutter ihn weckte.

Als Dani und Murrli beide vier Jahre alt waren und Weihnachten kam, brachte Murrli ein einziges Junges zur Welt. Es war pechschwarz, hatte blaue Augen und gefiel Dani sofort. "Es ist ein Kater", sagte Danis Vater, während Murrli ihr Kleines ableckte. Dani freute sich sehr über Murrlis Nachwuchs. "Kito!" rief er den kleinen Kater. Aber Kito hörte – im Gegensatz zu Murrli – nicht auf seinen Namen. Dani beschloss, fortan auch nicht mehr auf seinen Namen zu hören, wenn seine Eltern nach ihm riefen.

"Dani?" rief seine Mutter. "Es ist Zeit zum Baden!" Dani mochte das Baden nicht. Er mochte es nicht, wenn Mutter seinen Kopf einschäumte. Er musste dann nämlich immer Augen und Mund fest schliessen und durch die Nase atmen, was ihm besonders dann schwer fiel, wenn vor den Nasenlöchern ebenfalls Schaum war. Ausserdem hatte er ja beschlossen, nicht mehr auf seinen Namen zu hören. Er streichelte weiter mit der linken Hand Murrli und mit der rechten Hand Kito, die beide in Danis Zimmer auf dem Boden lagen. Kito war mittlerweile etwas grösser geworden, und seine Augen waren nun gelb. Während Dani Kito streichelte, hielt dieser die Augen aber meist geschlossen und schnurrte fein. Dani versuchte lange selber zu schnurren, aber es klang leider immer anders, und sein eigener Bauch vibrierte dabei viel weniger als bei den beiden Katzen.
"Dani?" Mutter blickte ihn vorwurfsvoll an. "Hast du mich nicht gehört? Zeit zum Baden!"
Dani wollte nicht. "Kito badet auch nie. Ich werde auch nicht mehr baden."
"Kito ist eine Katze", meinte die Mutter und hielt die Diskussion für abgeschlossen. Doch Dani sagte: "Dann bin ich eben auch eine Katze!"
Mutter hob ihn hoch und trug ihn ins Badezimmer. Dani wehrte sich, so fest er konnte, aber am Ende gewann seine Mutter den Kampf, auch wenn sie selber beinahe mehr Wasser und Shampoo abbekommen hatte als Dani.

Als seine Mutter Dani wieder baden wollte, fragte Dani sie, warum denn Katzen nicht baden müssten. Und seine Mutter erklärte: "Katzen lecken sich sauber. Immer wieder schlecken sie ihr Fell mit der rauhen Zunge, bis sie sauber sind."
Dani überlegte kurz, dann leckte er sich mit der Zunge über den Arm. "Siehst du?" fragte er mit leuchtenden Augen. "Bin auch sauber!" Die Mutter schüttelte lächelnd den Kopf. "Und nun versuch' dir mal den Kopf zu säubern." Dani merkte schnell, dass er seine Haare mit der Zunge nicht säubern konnte. Allerdings konnte das auch Kito nicht. Dani erinnerte sich daran, wie Kito das immer machte, leckte sich noch einmal den Arm ab und strich sich dann mit dem Arm über den Kopf. "So", sagte er. "Fertig!"
Doch Danis Mutter liess sich nicht auf weitere Diskussionen ein. Und wieder schleppte sie ihn ins Badezimmer und wusch ihm – unter Protest – die Haare.

Tagein, tagaus ging das so weiter. Kito hörte nicht auf seinen Namen, also hörte Dani nicht auf seinen Namen. Kito wusch sich nicht mit Wasser, und wenn man ihn einmal mit Wasser bespritzte, ärgerte man ihn fürchterlich. So wehrte sich auch Dani, wenn er baden und sich die Haare waschen lassen musste.

Als Kito aber an Weihnachten ein Jahr alt wurde, sass Dani alleine in der Stube. Er hatte Geschenke bekommen und wollte sie Kito zeigen. Und als er nach Kito rief, kam der kleine schwarze Kater angerannt und setzte sich auf Danis Schoss. Er miaute und blickte zu Dani auf. Und seither hört Dani wieder auf seinen Namen, wenn seine Mutter ihn ruft. Und die Haare wäscht er sich nun selber, wie das Kito auch tut. Aber mit Shampoo und Wasser.




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