Traumwelt

16. Juni 2004
von Patrick Armbruster

Da war mal so ein Junge, so wie ich mal einer war, vor langer, langer Zeit, als ich noch jung und unschuldig die Schulbank drückte. Der Junge war 18 auf den Tag genau, als ihm zum ersten Mal der Teufel ein Angebot machte.

Das Angebot war leicht durchschaubar, und der Junge wäre niemals auf den Deal eingegangen, wenn da nicht ein Mädchen namens Mary gewesen wäre, welches seit dem ersten gemeinsamen Schultag vor drei Jahren seine Träume regierte.

Und seine Träume waren golden
Und von Mary's Licht erhellt
Seine Träume waren voll von Liebe
Seine Träume – seine Welt.

Nun: Der Teufel ist bekannt dafür, dass er die Schwächen der Menschen auszunutzen nicht nur bereit ist, sondern es auch tut. Und ja: Er tat es. Stellte sich vor ihn hin und sagte: "Mein Junge, halt dich fest, ich mache dir ein Angebot. Zwei für eins und drei für zwei und obendrein noch Zuckerguss."

Der Junge hörte sich an, was der Teufel ihm anbot. Und WAS der Teufel ihm anbot, das war viel. ZU VIEL, als dass er wirklich hätte widerstehen können.

Der Teufel bot ihm Mary an.

Und seine Träume waren golden
Und von Mary's Licht erhellt
Seine Träume waren voll von Liebe
Seine Träume – seine Welt.

Doch der Junge war nicht dumm geboren. Er fragte, was denn für den Teufel drin sei.

Und der alte Geist, der stets verneint, sagte zunächst mal: "Gar nichts."
Also, er sagte: "Gar nichts." Nicht, dass er NICHTS gesagt hätte. "Gar nichts," sagte er und fügte an: "Oder sagen wir: Nur wenig. Wenn DU dein Girl erhältst und deine Träume erfüllst, wenn du zuoberst auf das Treppchen steigst und ALLES hast, was du begehrst, dann komme ICH und nehme mir, was ICH begehre."

"Das ist fair," sagte der Junge, "das ist fair. Was das denn SEI," fragte der Junge nach.

Der Teufel winkte ab und sagte leise: "Ach, das ist nicht viel. Bloss EINMAL poppen. Ein einziges Mal. Was ist das schon im Vergleich zu ALL den NÄCHTEN..."

Und wieder sagte der Junge, dass das fair sei.

Denn seine Träume waren golden
Und von Mary's Licht erhellt
Seine Träume waren voll von Liebe
Seine Träume – seine Welt.

Also schnippte der Teufel mit dem Finger – und alles kam, wie er es wollte. Der Junge bat die Mary um ein Date, sie sagte zu und schenkte ihm ein Lächeln. Noch am selben Abend gingen sie im Wald spazieren. Der Junge tat ALLES, um der Kleinen zu gefallen. (seine Träume waren golden...) Er stellte sich dämlich an, natürlich. Doch der Teufel lenkte die Gefühle des Mädchens. Sie kamen zu einer Lichtung (und von Mary's Licht erhellt) küssten sie sich noch im Stehen und legten sich auf das weiche Bett des Waldbodens. Ihre Welt war voll von Liebe. Seine Träume – seine Welt.
Er zog sie an sich, zärtlich und von der Liebe beflügelt. Und im silbernen Schein des vollen Mondes vögelten sie zwitschernd. Und ein scheues Reh war ihr Zeuge, und eine alte Eule war ihr Zeuge, und ein kleiner Fuchs gesellte sich dazu, und die Hasen waren da und ein Wildschwein. Ein Eber. Er GRUNZTE, als sie kamen, verwandelte sich zurück in seine wahre Gestalt und stand als TEUFEL vor den beiden.

"So," sagte er und: "Jetzt ist's Zeit!"

Der Junge nickte erschöpft. Und Mary blickte verwirrt auf den mächtigen Körper des Biestes. Der Teufel hob den Jungen auf, stellte ihn vor sich hin und nahm ihn von hinten mit Gewalt. Der Kleine SCHRIE wie ein SCHWEIN am Spiess, während der Teufel ihn wieder und wieder mit der flachen Hand auf den Hintern schlug.

Und Mary, ja die Mary: Sie kreischte. Und der Teufel SEUFZTE, als er kam, und sagte:

"Meine Träume waren golden
Und vom Mondeslicht erhellt
Und voll von Liebe."

Der Junge fragte entgeistert: "Warum hast du MICH und nicht SIE genommen?"

"Meine Träume – meine Welt."




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