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Freundschaft
Von Engeln und Falken
von Jürg Kilchherr
Der Engel kann im nicht Dunkel erblinden
Der Falke kann in der Luft nicht versinken
Das Gold kann im Feuer nicht verderben
Denn es empfängt die Klarheit und seine leuchtenden Farben
Gott hat allen Kreaturen das gegeben
Dass sie mit der Natur und mit der Liebe leben
Wie könnte also als Mensch meiner Natur widerstreben?
Wenn Astor, mein Falke, die Flügel öffnet, sich gewaltig in die Luft schwingt, darf ich den Zweifel nicht an mich heranlassen, er könnte nicht mehr zurückkehren.
Wenn Adrian, mein Freund, erwacht, seine Augen öffnet, sein Blick zum Fenster schweift, hinter dem die Luft, die Dächer, der Wasserfall, das Bergdorf liegen und er sich dann fragt, ob er wegen seines falschen Beins noch einen Teil davon ist, darf ich seinen Zweifel nicht teilen.
Beide gehören mir nicht.
Sie dulden nur mit mir zusammen zu sein. Beide könnten sich von der Freiheit des Himmels verlocken lassen. Astor könnte die wirkliche Jagd den toten Mäusen in meinem Futtersack vorziehen und wegfliegen.
Adrian könnte auf dem Weg der Heilung seinen Schutzengel verlieren, könnte einem bösen Engel in die Hände fallen. Dann würde er sich umbringen, das hat er gesagt.
Doch über meinen beiden Freunden liegt mein Vertrauen.
Wer vertraut, dem wird gegeben.
Ich bin dankbar und demütig, weil ich mit meinen beiden Freunden eine rettende Handreichung einfach geschenkt bekommen habe. Ich bekomme einen anderen Gesichtsausdruck, wenn ich spüre wie der Falke oder Adrian mir helfen mit ihrer Liebe, den grössten Abstand in mir, die Ferne zu Gott zu überbrücken.
Astor ist weit oben auf dem Kappelboden gelandet. Faltet majestätisch die Flügel zusammen. Spät in die Tiefe zu mir. Sein Kopf bewegt sich ruckartig, Jede Bewegung hat etwas Hochmütiges.
Adrian faltet seine Hände über meinen gebeugten Nacken, meine Kraft richtet seinen starren Körper vom Bett auf, trägt ihn zum Rollstuhl, lässt ihn sachte darin fallen.
"Du Michael", sagt er, "der Engel hat sich heute Nacht wieder an meine Bettkante gesetzt. Ich habe ihm von Catherine erzählt. Er legte seine Flügel um mich. Ich sah in der Helle seines Wesens ein pochendes Herz. Diesen Mut nehme ich heute Abend mit an die Kirchweih. Vielleicht sehe ich Catherine ja wieder."
Wir lachen. Adrians Rücken richtet sich auf. Mensch wird Mann durch Mitmenschen und mehr.
Lichtgestalten reifen über ihre Arbeit am Menschen. Menschen nähren sich Gott durch Selbstüberwindung und reifen.
In Gefangenschaft bindet sich ein Falke nur an einen Menschen. In Freiheit nur an einen Partner, genau wie die Engel. Seelisch und leiblich bin ich mit dem Greifvogel und Adrian mit den Engeln eng miteinander verschlungen.
Ein Heiliger Schauder, ein Jauchzen des Glücks überkommt mich, wenn ich meinen beiden Freunden in die Augen schaue.
Es gibt Geheimnisse in mir, die weis nur meine Falke. Es gibt Geheimnisse in mir, die weis nur Adrian.
Ich glaube, ich würde zerbrechen, wenn ich nicht wüsste, dass meine Geheimnisse von beiden nicht gut bewacht würden.
Ich opferte mich für Astor, passte mich seinem Instinkt an, fand wieder meinen Platz in der Natur.
Ich opferte mich für Adrian, passte mich seinem Wesen und dem Engel an.
Seine Seele heilt in unserer Liebe. Menschen, die sich lieben sterben nie. Engel ebenso.
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